Hoarding Simulator 2.0
Hoarding Simulator Nintendo Nintendo Switch Simulation
Ein Spiel wie ein Autounfall.
Ich stöbere ja immer sehr gerne im Nintendo eShop bei den 99 Cent-Titeln nach Kostbarkeiten, die ich für euch ausprobieren kann, damit ihr das nicht selber machen müsst. Als ich eben mal wieder reingeschaut habe, fiel mein Blick sofort auf etwas ganz besonders Wunderbares: Eine recht frische Neuerscheinung in Gestalt eines Hoarding-Simulators! Da konnte ich mich direkt mit identifizieren, weil meine ganze Wohnung auch vollsteht mit Krempel, allerdings natürlich auf gute Art. ^^ Die Produktbeschreibung verspricht einiges, kann aber wohl nicht ganz ernst gemeint sein. Oder etwa doch? Falls ja, erwartet mich gleich beim Spielen eine der besten High-Tech-Simulationen, die jemals entwickelt wurden! Mit der allerbesten, lebensechten Physik. Ein immersives Erlebnis, so wie jedes Mal. Und außerdem ein kompletter Albtraum. Das glaube ich schon eher…
Erste Eindrücke
Also dann. Ein gemütliches Plätzchen suchen zwischen den ganzen tollen China-Schnäppchen-Stapeln im Wohnzimmer, und auf geht’s! Ein circa 2sekündiges Introfilmchen mit Spielszenen wird uns entgegengerotzt, dann landen wir beim Startbildschirm, wo wir die Sprache einstellen können (Englisch und Portugiesisch stehen zur Auswahl), eine Übersicht über unsere Errungenschaften haben und ein neues Spiel beginnen können, was wir dann auch direkt mal tun:
Ich bin ein alter Kauz mit roter Knollennase (im Spiel, versteht sich) und stehe mitten in einer sehr kantigen Spielgrafik. Oben links ist meine Mission eingeblendet: Ich soll ein Radio sammeln. Da sich der olle Typ in seinem Wohnzimmer befindet und auf einem Tisch ein Radio steht, ist das doch wohl eine meiner leichtesten Übungen. Dachte ich. Bis ich merke, dass ich gar nicht weiß, wie ich das Ding aufheben kann. Der Opa schlägt mit schrecklichen Knochenknackgeräuschen schreiend Purzelbäume, der Opa hüpft, nur sammeln tut er nicht… Es gibt auch keine Übersicht über die Tastaturbelegung, keine Ahnung, wie das alles geht… Ich verlasse dann einfach mal mein Häuschen und bewege mich auf ausgesprochen ulkige Art durch die Gegend. Am unteren Bildschirmrand gibt es eine Art Freundschafts-Skala – was die zu bedeuten hat, weiß ich noch nicht. Im Vorgarten liegt ein sehr großer Felsbrocken, das Spiel schlägt vor, A zu drücken. Mache ich, der Typ hebt den Stein auf, bricht fast zusammen und schreit ein bisschen vor Schmerzen. Tragen kann ich das Teil jedenfalls nicht, ich lege es lieber mal wieder ab. Witziges Spielchen…
Ich treffe einen Halbstarken auf der Straße, ein freundliches grünes Gesicht leuchtet auf, dann schlägt mich der Arsch plötzlich zusammen und das Spiel ist vorbei?! Was zur Hölle? Aber von sowas lasse ich mich nicht beirren. Ein neues Spiel beginnt, meine jetzige Mission ist es, Hühner zu erschrecken. Nun denn. Ich folge dem lauter werdenden Gegacker, laufe an Leuten vorbei, die neben einer Leiche stehen. Ein Auto kommt, überfährt jemanden, der in hohem Bogen in meine Richtung fliegt und rechtschaffen verdreht da liegen bleibt? Aber das soll mich nicht weiter stören, ich muss Hühner scheuchen. Von denen gibt es eine ganze Menge in einem völlig vermüllten Garten. Sie erschrecken sich auf sehr eindrucksvolle Art mit lautem Hühnergetöse, meine Aufgabe ist schnell erfüllt. Währenddessen hört man dauernd den Aufprall, wenn auf der Straße weitere Leutchen überfahren werden, aber man gewöhnt sich ja an alles…
Vom Scheitern und vom Sterben
Ah, eine neue Mission. Ich soll einen Stuhl aufsammeln. Hier steht auch direkt einer in dem Müllgarten, den schnappe ich mir beherzt und trage ihn nach Hause. Man hat eine Ausdauer-Anzeige, die schnell sinkt, wenn man sich anstrengt. Lange flott laufen kann man nicht, ohne sich zwischendurch auszuruhen. Zuhause angekommen stelle ich fest, dass das gar nicht mein Zuhause ist, ich hab mich ein bisschen verlaufen und bin in einem fremden Vorgarten gelandet. Während ich noch überlege, wo ich hin muss, kommt ein Typ von draußen rein und schlägt mich tot. In was für einem ganz komischen Spiel bin ich hier eigentlich?? Aber da müssen wir jetzt wohl durch. Weiter! Noch mal ein Neustart, nächstes Ziel: 5904 Punkte sammeln. Ich finde einen Stuhl in einem benachbarten Garten, will ihn nach Hause tragen und werde unterwegs kaputtgeprügelt. Vollkommen durchgeknallt alles!!
Neues Spiel, neue Mission: Eine goldene Hühnerstatue finden. Finde ich nicht, kriege nach ein paar Minuten Erfolglosigkeit eine neue Mission: 6 Tage lang soll ich überleben. Am besten, ich verschanze mich in meinem kleinen Häuschen – man weiß ja nie so genau, wann die Leute einen angreifen und wann nicht… Eine Frau kommt zu mir und redet auf mich ein, aber wenigstens lässt sie mich leben. Ich weiß nicht, was von mir verlangt wird. Wie ich Gespräche führe oder wie ich die Leute friedlich stimmen kann. Keine Ahnung. Aber wenn es mit den lebenden Menschen schon nicht klappt, dann vielleicht mit den toten? Ich sammele spaßeshalber mal ein paar Leichen ein und schleife sie in meinen Garten, das kann ja nicht schaden. Irgendwann sind sie dann auch wieder verschwunden, und ich sammele andere Gegenstände. Stühle, Kartons, die ich dann in den Garten pfeffere. Punkte gibt es dafür keine, ich kann also nicht sagen, ob ich das alles richtig mache… 3 Tage habe ich überlebt, dann werde ich von einem Auto überfahren. (Dabei erscheint übrigens die Einblendung „You fainted“. Kleiner Euphemismus, aber wahrscheinlich hätten sie sonst keine Jugendfreigabe erhalten, wenn da tatsächlich am laufenden Band Leute totgefahren werden würden…) Game Over. Beim Startbildschirm werden Spieltipps eingeblendet, die mir aber rein gar nicht weiterhelfen, weil all das im Spiel bisher noch nicht vorkam. Ich soll beten, damit sich der Freundschaftslevel erhöht. Aber wie? WIE??
Es geht voran
Ich erwache am nächsten Tag mit einer neuen Aufgabe: Einen Kühlschrank soll ich einsammeln. Es steht einer beim Nachbarn gegenüber auf dem Hof. Ich räume ein paar Müllsäcke beiseite, damit ich drankomme, und schiebe ihn mit ca. 0,0005 km/h Richtung Straße. Natürlich werde ich bemerkt und verprügelt. Game Over… Aber dann: Ohhh! Geschafft! Eine Box sollte ich holen, die stand direkt auf der anderen Straßenseite. Und plötzlich fängt die alte Frau, die bisher nur teilnahmslos in meinem Garten herumstand, an zu reden! Sie nennt mich Liebling und sagt, dass wir gerne Dinge sammeln, dass die Nachbarn das aber nicht mögen und ich mich nicht erwischen lassen soll. Den Müll soll ich in die Garage tun. Gesagt, getan. Ein sehr befriedigendes Geräusch ertönt, und ich kriege Punkte!! Juchu, so kann es weitergehen. Was jetzt? Einen Ball suchen. Okay! Die Motivation ist neu erwacht, jetzt weiß ich einigermaßen, was zu tun ist. Ball gefunden, Punkte eingesackt. Nächste Mission: 8 Tage lang überleben. Okay, ich versuch’s. Ich bleibe in der näheren Umgebung und sammele ein bisschen vor mich hin, ohne jemanden zu verärgern. Dann will ich noch mal eine Leiche vom Boden abkratzen, das weckt den Unmut einer jungen Frau, die mich zornig verfolgt und auch leider nicht mehr aufhört damit. Ich laufe weg, die hartnäckige Trulla hinterher, minutenlang. Zum Glück erreicht sie mich nicht, wir werden nämlich beide von an der Straße lauernden Polizisten umgenietet. Ich wundere mich hier über gar nichts mehr…
Auf Entdeckungstour
Ich lasse jetzt mal die Missionen Missionen sein und erkunde ein bisschen die Umgebung. Irgendwo muss es ein Fitnessstudio geben und einen Hund. Mal gucken, ob mir eins von beiden über den Weg läuft. Am Ende der Straße ein Kreisverkehr, ein verschlossenes Gebäude und ein Weg, der tatsächlich zu einem Freiluft-Gym führt. Die Grafik gibt im Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten alles: Sogar ein kleiner Fluss ist da, mit bewegtem Wasser. Alles sehr klotzig und wenig filigran, aber irgendwie charmant und mit Wiedererkennungswert. Apropos Grafik: Beim Charakterdesign hätte man sich ein bisschen mehr Mühe geben können, es laufen einem häufig mehrere identische Gestalten gleichzeitig über den Weg. Na ja, aber da wollen wir mal nicht so kleinlich sein. Vielleicht sind sie ja verwandt. „If I go to the Gym I can become stronger“ wird eingeblendet, dazu spricht der Greis Unverständliches mit einer Gruselstimme. Ich trainiere mir die Seniorenseele aus dem Leib an den Fitnessgeräten, und tatsächlich: Irgendwas scheint aufgestiegen zu sein. Ich laufe nach Hause, vorbei an wogenden Blumen und überfahrenen Körpern, und werde solidarisch gleich mit überfahren.
Bin später in einer Kirche gelandet, mit sakraler Chormusik, und habe die Erleuchtung in Form einer Einblendung, dass ich hier beten kann, um meine Freundschaftswerte zu erhöhen. Prompt fängt es in der Kirche an zu regnen. Ein Zeichen! Meine Erkundungstour führt mich dann zum Ende der Straße, dort ist ein Tunnel, der das Levelende markiert. Nur für mich, alle anderen laufen oder fahren einfach durch. Wurscht, der Level ist mir groß genug, mehr will ich gar nicht. Die Laufwege, zum Beispiel zum Gym oder zur Kirche, wo man doch ab und zu mal vorbeischauen muss, sind relativ lang, und man bewegt sich nicht sonderlich schnell vorwärts… Während ich da noch stehe, werde ich volle Möhre überfahren. Das war Absicht, ich stand noch nicht mal auf der Straße. Diese Geräusche dabei immer, schon ziemlich splatterig…
Und so wurschtele ich mich durch das Spiel. Versuche Aufgaben zu erledigen, werde permanent getötet, starte wieder neu. Bei jedem Neubeginn sind die gesammelten Gegenstände und Punkte weg, das Freundschaft-o-Meter ist wieder resettet. Man scheint auch eine Art Erfahrungspunkte zu sammeln, jedenfalls konnte ich beim Startbildschirm ein paar Werte steigern – Ausdauer, Regeneration, Purzelbaum… Ob das groß was gebracht hat, kann ich nicht sagen, dafür waren es zu wenig Punkte. Aber die gesteigerten Werte bleiben dankenswerterweise erhalten, auch wenn man den Level nicht schafft. Die Aufgaben sind einigermaßen abwechslungsreich: Mal muss man gewisse Sachen sammeln, mal 16 Leute schubsen oder mit Dingen bewerfen… Aber irgendwann wiederholt sich auch das alles. Dass es längerfristig Spaß macht, glaube ich nicht. Die Animationen und Geräusche sind immer dieselben und werden bald langweilig. Und weil es keinen Fortschritt oder keine Story gibt, fehlt irgendwann die Motivation, weiterzumachen. Man spielt später einen neuen spielbaren Charakter frei, und wir kriegen sogar zeitweise einen kleinen wuseligen Begleiter! Das ist eine nette Überraschung, macht den Kohl aber irgendwie auch nicht fett.
Zusammengefasst
Ein eher schrulliges Spielchen ist das. Durchaus mal nett für zwischendurch, aber längere Spielsessions werden doch schnell langweilig. Originelle Ideen haben sie eingebaut, schon allein, dass man einen humpelnden, schwitzenden alten Knacker spielt, der Zeug aus den Gärten seiner Nachbarn stiehlt. Und die Autounfall-Szenen waren anfangs sehr unerwartet und haben für ungläubiges Lachen bei mir gesorgt. Aber das nutzt sich irgendwann ab, und dann ist es doch alles ziemlich belanglos und repetitiv. Der Beschreibungstext im Shop war, wie ja schon erwartet, Trolling vom Feinsten. Nix mit Physik und Realismus – ab und zu ging halt mal die Sonne unter und die Straßenlaternen an… Schade, dass es kein Tutorial gibt und der Spieler einigermaßen alleingelassen wird. Aber wenigstens funktioniert die Steuerung sehr ordentlich. Ich bereue den Kauf nicht, hatte durchaus ein paar Stunden Spaß. Ärgern musste ich mich nur, weil die Flitzpiepen im Spiel mir keine ruhige Minute gelassen haben, aber nicht wegen irgendwelcher Bugs oder unschaffbarer Missionen. Letztere gab es zwar, aber das war völlig okay und nicht so arg frustrierend, weil kein Spielfortschritt davon abhängt. Ich sag mal so: Wenn ihr es skurril mögt, keinen Wert auf Story legt und mit Knochenknackgeräuschen und teilweise etwas langen Laufwegen gut umgehen könnt, dann könnt ihr die 99 Cent eventuell investieren. Und wenn ihr irgendwo, das als gut gemeinter Hinweis, den Spieltipp seht „Never push the pope“, dann haltet euch da dran! ^^
* Das Beitragsbild wurde von uns mit Hilfe des „Bing Image Creator“ erstellt.
Direkt gekauft für 99 Cent. Irgendwie ganz witzig. 😁
Es ist auf jeden Fall mal was ganz anderes. 😁
Und für den Preis immer mal ein Ründchen zwischendurch zocken – das kann man wohl mal machen. Auf jeden Fall das spaßigste und abwechslungsreichste Trash-Spiel, das ich hier bisher getestet hab. Aber natürlich nach wie vor Trash. 🤭
Horten ist nie verkehrt!
Eben! Besser haben als brauchen, hat schon Konfuzius immer gerne gesagt. 😁